Was sind eigentlich Stimmungsschwankungen und wie geht man mit jemandem um, der davon betroffen ist? Stimmungsschwankungen sind unvorhersehbare, schnelle, dramatische emotionale Zyklen, die nicht ohne weiteres durch Änderungen der äusseren Umstände erklärt werden können.
Stimmungsschwankungen gehören zu den beunruhigendsten von allen Symptomen von Menschen, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden, weil sie sich der Argumentation oder Logik der Person widersetzen, die versucht, sie verstehen.
Stimmungsschwankungen spiegeln selten die Realität wider. Sie basieren typischerweise auf den Gefühlen des PS-Betroffenen – nicht auf Fakten. Allerdings geraten Angehörige manchmal in die Falle, die Stimmungen eines PS-betroffenen, geliebten Menschen auf der Grundlage tatsächlicher Ereignisse zu interpretieren.
Positive Stimmungsschwankungen sind ebenso ein Symptom von Persönlichkeitsstörungen wie negative Stimmungsschwankungen.
Positive Stimmungsschwankungen sind willkommen, können jedoch genauso destruktiv sein wie negative Stimmungsschwankungen. Dies liegt daran, dass positive Stimmungsschwankungen oft den Sinn für Gerechtigkeit oder Milde von Angehörigen ansprechen – wie: „Wenn diese Person jetzt so nett ist zu mir, kann sie nicht die böse Person sein, für die ich sie gehalten habe.“ Dies kann genauso kontraproduktiv sein wie Reaktionen auf einen negativen Stimmungswechsel.
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass ein plötzlicher Wechsel zu freundlichen Handlungen, keine Erklärung oder Versöhnung für frühere Missbräuche und wenig Sicherheit gegen zukünftige Missbräuche bietet.
In vielen Fällen wird eine Person, die an einer Persönlichkeitsstörung leidet, gelegentlich von ihrem eigenen Verhalten geplagt. Dann versuchen sie jedoch, die Aufmerksamkeit von ihrem Verhalten abzulenken, indem sie sich auf die Mängel anderer konzentriert und die missbräuchliche Dynamik fortsetzt.
Das Stimmungsspektrum von PS-Betroffenen, kann dramatisch sein – von Selbstmordtendenzen bis hin zu erhabener Glückseligkeit.
Beispiele für Stimmungsschwankungen
- Ein erfolgreicher Geschäftsmann tut am Montag so, als wäre alles wunderbar und am Dienstag unternimmt er einen Selbstmordversuch.
- Eine Frau beschliesst in der einen Woche, ihre Kinder wegzugeben und in der nächsten Woche engagiert sie einen Anwalt, um das Sorgerecht zu behalten.
- Ein junges Mädchen bricht ihre Berufsausbildung ab und behauptet, dass sie gemobbt wurde. Am neuen Ausbildungsplatz idealisiert sie den vorherigen Betrieb und hört nicht auf zu betonen, dass dort alles viel besser war als jetzt.
- Ein Kollege verhält sich an einem Tag, als ob wäre er unter besten Freunden und gibt sich am nächsten extrem unnahbar.
- Eine Mutter pendelt zwischen bettlägriger Depression und domestiziertem Perfektionismus.
Wie es sich anfühlt
Die Tendenz für Angehörige besteht darin, sich unter Druck gesetzt zu fühlen, die eigenen Grenzen zu überschreiten, wenn sie plötzlich auf eine Flut guter Schwingungen von ihrem von PS-Betroffenen Angehörigen stossen. Es ist jedoch wichtig, sich daran zu erinnern, dass Grenzen nicht „wetterabhängig“ sind. Grenzen sind wie ein Ufermauer die Sicherheit bieten, egal ob die Wellen gerade sanft oder stürmisch sind.
Wir neigen auch dazu anzunehmen, dass andere Menschen genauso sind wie wir. Wir schauen auf das Verhalten der anderen und fragen uns: „Welche Umstände oder Gefühle bräuchte ich, um so zu handeln?“
Menschen mit einer PS repräsentieren jedoch ein Extrem im normalen Spektrum des menschlichen Verhaltens. Ihr Verhalten lässt sich eben genau nicht mehr mit Logik erklären. Dies führt oft dazu, dass sich Angehörige fragen: „Was in aller Welt habe ich getan, um dies zu verdienen / das zu provozieren / sie/ihn dazu zu bringen, sich so zu verhalten?“
Die Antwort lautet meistens: „Nichts.“
Als Angehöriger mit Stimmungsschwankungen umgehen
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Du niemals für das Verhalten einer anderen Person verantwortlich bist. Wenn sich eine Person, die Dir am Herzen liegt, auf eine Weise verhält, die Du nicht magst, ist dies ihre Entscheidung. In den meisten Fällen hat dies nichts mit Dir oder dem, was Du getan hast, zu tun.
Wenn eine andere Person behauptet „Ich habe … weil du …“, dann erfindet sie Ausreden für ihr eigenes Verhalten!
Was Du NICHT tun solltest
Wenn Du mit positiven Stimmungsschwankung konfrontiert wirst:
- Wirf Deine Grenzen nicht weg.
- Geh nicht davon aus, dass diese liebenswerte Person die echte oder die wahre Person ist. Es ist ein Teil von ihr – und die ganze Person ist der Durchschnitt sowohl von allen positiven Erfahrungen die Du mit ihr gemacht hast, wie auch allen negativen.
- Vergiss die negativen Erfahrungen nicht – sie sind ebenso ein Teil der Realität wie die positiven.
- Geh nicht davon aus, dass dieser positive Stimmungsschwung für immer anhält.
Wenn Du mit einem negativen Stimmungswechsel konfrontiert wirst:
- Mach Dir keine Vorwürfe und übernimm keine Verantwortung für die Art, wie sich die andere Person fühlt oder verhält.
- Räche dich nicht mit eigenem schlechtem Benehmen.
- Geh nicht davon aus, dass diese „böse Person“, die reale oder die wahre Person ist. Es ist ein Teil von ihr – aber die ganze Person ist der Durchschnitt sowohl vom Positiven als auch vom Negativen, dass Du mit ihr erlebt hast.
- Vergiss die positiven Erfahrungen nicht – sie sind ebenso ein Teil der Realität.
Was Du tun solltest
- Bestehe auf Deine Grenzen.
- Halte Dich und Deine Kinder fern von physischer, verbaler, emotionaler oder sexueller Gewalt oder Misshandlung.
Oft missverstanden und fehldiagnostiziert
Ich habe es immer wieder erlebt, dass Menschen behaupten sie haben Stimmungsschwankungen (Sind wir nicht alle ein bisschen Bordie?). Wenn man nachfragt, erfährt man meist Gesichten in der Art wie, dass hin und wieder vorkommt, dass man gutgelaunt in den Tag startet und sich am Nachmittag plötzlich eine melancholische Stimmung einschleicht – oder ähnliche, banale und normale Schwankungen. Die Stimmungslage verändert sich und nicht immer ist offensichtlich, was die Veränderung ausgelöst hat. Dies ist normal.
Das Besondere an gestörten, krankhaften Stimmungsschwankungen ist ihre Heftigkeit und das Fehlen jedes nachvollziehbaren Grundes. Vielleicht muss man wirklich erst einmal miterlebt haben, wie ein gutgelaunter, fröhlicher Bekannter mit einer Borderline-Störung plötzlich und für Aussenstehende erschreckend überraschend plötzlich zutiefst unglücklich, suizidal wird oder mit einer Heftigkeit wütend explodiert, die – wenn man dies noch nicht so oft erlebt hat – einfach nur sprachlos macht.