Der Massenmörder John List erschoss seine Frau, seine Mutter und seine drei Kinder. Danach machte er sich ein Sandwich, fuhr zur Bank und verschwand für 18 Jahre. Obwohl ihm die Diagnose nie offiziell gestellt wurde, deutet vieles an John List darauf hin, dass er an einer Zwanghaften Persönlichkeitsstörung gelitten haben könnte.
Die Zwanghafte Persönlichkeitsstörung
Die Zwanghafte Persönlichkeitsstörung ZPS ist durch Gefühle von Zweifel, Perfektionismus, übertriebener Gewissenhaftigkeit, ständigen Kontrollen, Halsstarrigkeit, Vorsicht und Starrheit gekennzeichnet.
Betroffene weisen starke Normen auf, an die sie sich sehr stark halten und die sie einschränken. Die Personen leben damit in hohem Masse nach einem „ich muss“ bzw. „ich darf nicht“. Die Regeln haben sie meist nicht „frei gewählt“, sondern von wichtigen Bezugspersonen in der Biographie übernommen.
Der perfekte Familienvater
Im Fall von John List, sind diese Bezugspersonen seine streng religiösen Eltern. List wird 1925 in Michigan, USA geboren. Er bleibt ein Einzelkind. Er ist ein unauffälliger Schüler, hat jedoch kaum Freunde. Sein soziales Umfeld beschreibt ihn als freudlos, starr, zwanghaft ordentlich, ultra-konservativ, ultra-moralisch, langweilig und oft wütend wegen Kleinigkeiten.
List absolviert erfolgreiche eine Ausbildung zum Buchhalter, bleibt jedoch im Berufs- und Geschäftsleben eher erfolglos. Er verschuldet sich immer wieder, strebt jedoch weiterhin nach seinem Idealbild von einem erfolgreichen Leben.
Das perfekte Leben
List heiratet und bald hat das Paar drei Kinder. Er zieht mit seiner Familie und seiner alternden Mutter nach Westfield, New Jersey, wo er ein Herrenhaus mit 18 Zimmern kauft, dessen Unterhalt weit über seinen finanziellen Verhältnissen liegt. Die Schulden geraten immer mehr ausser Kontrolle.
[TS_Poll id=“5″]
Drohender Kontrollverlust ist für den zwanghaften List eine enorme Bedrohung. Hier gilt es zu verstehen, dass List die finanziellen Schwierigkeiten stets für sich behält. Nichts soll das perfekte Bild seiner perfekten Familie und seines perfekten Selbsts beschmutzen. Für List gibt es bald nur noch eine mögliche Lösung für seine Situation:
Der perfekte Mord
Dieser gelingt ihm auch beinahe: Es wird 18 Jahre dauern, bevor er gefasst und zur Rechenschaft gezogen wird, nachdem er am 19. November 1971 seine Frau, seine drei Kinder und seine Mutter mit einem Kopfschuss kaltblütig ermordet.
Im Haus hinterlässt List einen Brief an seinen Pastor, indem den Familienmord damit entschuldigt, dass seine Frau und seine Kinder kurz davor waren der Versuchung der Sünde zu erliegen und er sie folglich töten musste, damit sie in den Himmel kommen.
Die perfekte Flucht
Die Tat plant List so akribisch, dass es einen Monat dauert, bevor das scheussliche Verbrechen entdeckt wird. In der Zwischenzeit flieht List nach Colorado und nimmt einen neuen Namen an. Als Robert Clark beginnt er, also ob wäre nichts gewesen, ein neues “perfektes” Leben: Er heiratet wieder und zieht nach Virginia.
Es ist dem künstlerischen Können eines forensischen Anthropologen zu verdanken, dass List schliesslich doch noch gefasst wird. 1989 modelliert Frank Bender einen, um 18 Jahre gealterten, John List in Ton. Der Tonkopf wird im nationalen Fernsehen gezeigt mit der Bitte um Hinweise.

Tatsächlich erkennt ein Bekannter von “Robert Clark” die Ähnlichkeit mit dem Ton-Modell und meldet dies den Ermittlern. Clark wird verhaftet und eindeutig als der gesuchte Familienmörder identifiziert. Er wird zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf Bewährung verurteilt.
Die perfekte Rechtfertigung
Wie tief List’s Persönlichkeit gestört ist, zeigt sich erneut, als er sich 2002 einem Interview mit einer ABC-Reporterin stellt. Sie fragt ihn, warum Selbstmord keine Option war, als die Schulden aus dem Ruder liefen. List erklärt, dass Selbstmörder nicht in den Himmel kommen. Mörder könnten jedoch immer noch auf Gottes Gnade hoffen.
List scheint tief überzeugt, dass ihm diese göttliche Gnade gewährt werden wird, und er nach seinem Tod wieder mit seiner perfekten und ewig dankbaren Familie vereint sein wird.
Leseempfehlung: Der Fall John List im Detail
Mehr über den Fall? Der Beitrag John List – Blutbad im Herrenhaus von Richard Deis – 2. März 2019 ist sehr umfangreich und detailliert.
Quellenverzeichnis
All That’s Interesting. “John List Killed His Family To Save Their Souls. Then He Vanished.” All That’s Interesting, All That’s Interesting, 12 Oct. 2018, allthatsinteresting.com/john-list.
“John List.” Wikipedia, Wikimedia Foundation, 6 Feb. 2020, de.wikipedia.org/wiki/John_List.
“John List.” Criminal Minds Wiki, criminalminds.fandom.com/wiki/John_List.
“Judgment Day: The John List Story.” IMDb, IMDb.com, 23 Feb. 1993, www.imdb.com/title/tt0107285/.
Reporter. “Dad Shot His Family One by One before Cutting Himself out of Family Photos and Fleeing.” Life Death Prizes, 28 July 2017, www.lifedeathprizes.com/real-life-crime/john-list-killed-family-went-on-the-run-69769.
Stout, David. “John E. List, 82, Killer of 5 Family Members, Dies.” The New York Times, The New York Times, 25 Mar. 2008, www.nytimes.com/2008/03/25/nyregion/25list1.html.
Da muss man wirklich komplett gestört sein! Wie kann man nur normal weiterleben, nachdem man die eigene Familie ausgelöscht hat? Als ob wäre nichts gewesen. Möchte mir nicht vorstellen, wie das für seine zweite Familie gewesen sein muss, als er geouted und verhaftet wurde. Unglaublich! Sehr interessanter Fall.